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Fitness für Kopf und Beine - Im Laufschritt zu Molière


Der Französischkurs der Q12 des HLG besucht Molières „Tartuffe“ im Residenztheater

Molière ist so etwas wie der französische Goethe: der einzige Autor, dessen Lektüre in der Oberstufe des Gymnasiums im Französischunterricht verpflichtend vorgeschrieben ist. In erster Linie sind Komödien aber zur Aufführung auf der Bühne gedacht, und so war für die Zwölftklässler, als sie zwischen drei Stücken auswählen sollten,  ein entscheidendes Argument, dass man den „Tartuffe“ aktuell in einer Inszenierung von Mateja Koležnik am Residenztheater in München auf der Bühne sehen kann. Vor allem aber interessierten sich die angehenden Abiturientinnen und Abiturienten für den „Tartuffe“, weil er mit Sicherheit das politisch und gesellschaftlich brisanteste Stück des französischen Autors ist, das mehrfach verboten wurde und für das mancher Vertreter der Geistlichkeit Molière gerne auf dem Scheiterhaufen gesehen hätte.

Der Betrüger Tartuffe nistet sich im Hause des reichen Orgon ein, indem er den Frommen spielt. Der bigotte Orgon fällt auf diese Heuchelei herein und möchte Tartuffe mit seiner Tochter verheiraten, obwohl diese bereits glücklich mit einem anderen verlobt ist. Tartuffe dagegen ist in Wahrheit hinter Orgons Frau Elmire her, doch Orgon ist so verblendet, dass er dies nicht wahrnimmt und im Glauben, alle hätten sich gegen ihn und seinen Günstling verschworen, sein gesamtes Hab und Gut Tartuffe  überschreibt, nur um seine Familie zu brüskieren. Erst als er selbst Zeuge der Falschheit seines angeblichen Freundes wird, sieht er seinen Fehler ein – doch wie kann er sich nun aus seiner selbstverschuldeten Machtlosigkeit befreien?

Nachdem die Schülerinnen und Schüler sich im Dezember und Januar im Unterricht durch den nicht ganz einfachen Originaltext aus dem 17. Jahrhundert gearbeitet hatten, durften sie nun einen im doppelten Sinn temporeichen Abend erleben. Zum einen, weil die Regisseurin Mateja Koležnik den Fünfakter gründlich entschlackt hat: Indem sie sich auf die Kernszenen konzentriert, schafft sie es, den Konflikt in 75 Minuten ohne Pause zu entwickeln und auf die Spitze zu treiben. Die moderne Inszenierung, die zugleich den Geist des Originals wahrt, das gelungen eingesetzte einfache und funktionale Bühnenbild sowie die hochkarätige Besetzung (Oliver Nägele als Orgon und Sophie von Kessel als Elmire) sorgten für einen unterhaltsamen und interessanten Abend. Zusätzliche Spannung schuf noch die Anreise mit der Bahn: Wegen der halbstündigen Verspätung des Zuges mussten die Landshuter Schülerinnen und Schüler anfangen zu laufen, sobald sie den Hauptbahnhof in München erreicht hatten. Über Schnee und Eis in der Theatinerstraße joggte das Grüppchen in Abendgarderobe zum Max-Joseph-Platz und schaffte es gerade noch rechtzeitig, außer Atem in die Theatersessel zu fallen. Doch die kulturelle Verschnaufpause war von kurzer Dauer: Um halb zehn sah man eine Gruppe festlich gekleideter junger Menschen in entgegengesetzter Richtung zur U-Bahn rennen, denn wer verpasst schon gerne knapp den Zug, wenn er danach eine Stunde auf die nächste Verbindung warten muss? Die Stimmung war jedoch bestens, alle empfanden den Ausflug als anregend und lohnenswert („Kulturprogramm und Bundesjugendspiele!“), und auf der Heimfahrt gab es noch Gelegenheit, die Inszenierung zu diskutieren, die bewiesen hat, dass Klassiker durchaus nicht langweilig sein müssen.

Annette Herdeis

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