Trockene Lyrik, nein danke!

Das Künstlerduo Rose und Georgi verbindet Musik und Literatur in einer Deutschstunde der besonderen Art.
Schon zum vierten Mal in Folge erfreut das Künstlerduo Rose und Georgi die Schülerinnen und Schüler des Hans-Leinberger-Gymnasiums. Dem Sänger Detlev Rose und dem Flötisten und Tontechniker Christian Georgi gelingt eine stets Begeisterung auslösende Verbindung von Musik und Literatur. Mit teils vertonten, teils musikalisch unterlegten Gedichten beginnen die beiden Künstler am Montag, 3.7., ihr Programm „Ich bin ein deutscher Dichter - Reminiszenzen an Heinrich Heine“ vor Q 11, die die Lyrik des Dichters bereits im Unterricht kennen gelernt hatten. Doch welche Überraschung zeichnet sich auf den Gesichtern ab, die sich bisher in der Analyse der Gedichte geübt hatten, ab, als Rose und Georgi direkt auf das Publikum zugehen, dem sie eine neue Sicht auf bekannte und auch neue Texte gewähren!
Mit viel Witz und Esprit wird n den folgenden 70 Minuten der Geist der Revolution, der in Heine schlummerte, heraufbeschworen. Das Auditorium kann den kritischen Blick Heines auf die Zeitgeschichte wahrnehmen, der den Gegensatz von „edelsteingepflasterten Gassen“ und dem Verzehr von „Wassersuppe“ im Deutschland des 19. Jahrhunderts nachzeichnete. Auch die Religion kritisierte Heine in seinem Gedicht „Stoßseufzer“, die er als unbequemen neuen Glauben einschätzte. Die Sehnsucht Heines nach der Heimat, aber auch deutliche politische Tendenzen lässt das Duo durch die Rezitation der „Nachtgedanken“ spüren. Durch eigene Kommentare und Gags verschwindet sofort der Hauch von Wehmut, der durch Heines „Denk ich an Deutschland in der Nacht“ aufkam. Denn gleich im Anschluss hat Detlev Rose, von dem die meisten Kompositionen stammen, Tipps für zwischenmenschliche Beziehungen parat, in dem er „Sie saßen und tranken am Teetisch“ und „Ein Weib“ zu Gehör bringt, nicht ohne anwesende Schüler in die Darbietung zu integrieren. Zudem bindet Rose die Schülerschaft aktiv mit ein, als es darum geht das Reimschema eines Gedichts zu bestimmen. Dabei spart er nicht an bissigen Kommentaren, wenn die Schüler nicht seinen Anforderungen entsprechen, und hat erneut die Lacher auf seiner Seite. Im Hintergrund brilliert stets Christian Georgi an seinen Blasinstrumenten, der aber auch im Duett mit seinem Kollegen singt, als „Das Weberlied“ am Ende der eindrucksvollen musikalischen und literarischen Darbietung auf dem Programm steht. Abschließend betont Detlev Rose, dass es sich bei Heine um einen hochaktuellen Dichter handelt, da seine Zeitkritik auch auf die Gegenwart übertragen werden könne. Der Wunsch des Duos, dass der Dichter Heine nicht vergessen werden soll, ist in jedem Fall in Erfüllung gegangen. Die beiden Künstler haben sich aber nicht nur Heine, sondern auch Balladen verschrieben, die sie nach der Pause den Schülerinnen und Schüler der 7. Jahrgangsstufe zu Gehör bringen. Die Siebtklässler werden ins Reich von todesmutigen Helden, wilden Tieren und Sagengestalten entführt. In ihrem Programm „Der Handstand auf der Loreley“ unternehmen die beiden Künstler zum Teil witzig-spritzig, zum Teil nachdenklich-melancholisch und immer einfühlsam zusammen mit ihrem Publikum eine Reise in die bunte und phasenweise schaurige Welt der Balladen. So steht am Anfang ein amüsanter Nachtspaziergang mit einem Nilpferd über einen Berliner Rummelplatz und einem Zoo. Dabei ahmte Christian Georgi mit seiner „Zauberflöte“, wie er seinen elektronischen Blaswandler selbst nennt, alle Tierarten nach, was viele Zuhörer sichtlich erstaunte. Aber auch Schauergeschichten von Tantenmördern, von Zauberlehrlingen und vom cleveren Herren Kunz von Karfunkel, der dem Tode trotzt, standen auf dem Programm. Bekannte Balladen von Frank Wedekind, Johann Wolfgang von Goethe oder Detlev von Liliencron zum Leben werden auf diese Weise zum Leben erweckt und für die Schülerinnen und Schüler eindrucksvoll und mit musikalisch-rezitatorischer Sicherheit dargebracht. Besonders gefiel dabei, dass das Publikum abermals von Detlev Rose subtil, mit Witz und geschickt stets eingebunden wurde und so an der Gestaltung des Programms ähnlich wie die Q 11 aktiv beteiligt gewesen ist. Ja, die 7. Jahrgangsstufe des Hans-Leinberger-Gymnasiums dichtete sogar selbst eine Ballade zu Ende und das mit großem Vergnügen. Mit donnerndem Applaus wurden die beiden Künstler wieder nach Berlin geschickt, allerdings mit der dringenden Bitte versehen, nächstes Jahr wieder zu kommen.
Carola Braun und Simon Hölzl